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Home Bombenangriffe in Kiel (Jan. 1944) 9.1.1944: Fund in der Universität Verlust der Wohnung und Abreise aus Kiel (Juli 1944)
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 Dr. Fritz Lettenmeyer (1891-1953)
 Aus Tagebüchern
 Bombenangriffe in Kiel (Jan. 1944)

10.1.1944 bis 14.1.1944: Schlaglichter

10.1.1944 In der Wohnung 9 Grad, Außentemperatur 1 Grad. Mit der Universität laß ich mir jetzt etwas mehr Zeit, warum soll ich als einziger immer mich abschinden. Die Kliniken sollen 50 Glaser und einige Dachdecker bekommen und davon wird das Universitätsgebäude nebenbei was zugeteilt erhalten. Die 50 Glaser haben aber nur vier Diamanten. Einen Hammer soll es in ganz Deutschland nicht mehr zu kaufen geben. (Nachtrag 1946: Damals hielt man solche Bemerkungen noch für nicht ganz selbstverständlich.)

Von den sonstigen Mitteilungen des Kurators in der Nachmittagsbesprechung ist zu erwähnen, daß die 50 Studenten der Medizinerkompagnie zwei Tage lang nichts zu tun hatten. Sie waren von der Chirurgischen Klinik angefordert worden, trafen dort ein, niemand wies ihnen Arbeit zu (Prof. F. operierte den ganzen Tag), sie standen herum, bis man sie am zweiten Tag zum Straßenkehren vor der Klinik verwendet hatte.

Die kleine Chemiestudentin saß den ganzen Tag auf Fensterkreuzen oben und klopfte Glas- und Kittreste ab. Dem Herrn K. räumte ich sein Zimmer aus, er traut sich nicht hinauf. Auch zwei Flaschen Wein fand ich in seinem Tisch, er schenkte mir eine davon und ich habe sie ohne Zögern angenommen. Er behauptete, er könne sich wieder welche verschaffen und ich habe keine und kann mir keine verschaffen. Ich wollte eigentlich in meiner Verärgerung nichts mehr anrühren, aber man kommt von einer Unternehmung zur andern in so einem Bau.

Nachmittags brauchte ich drei Stunden, um mir auf dem Rathaus einen Bezugsschein für 1 l Petroleum zu verschaffen und dann ein Geschäft zu finden, wo ich den Liter kaufen konnte. Eine Lampe habe ich noch nicht, die hoffe ich von Hof oder Nördlingen zu bekommen. Dies als Vorsorge für künftige Schadensfälle. Immer noch keine Zeitungen gelesen. Heute kamen zum erstenmal Briefe.


11.1.1944 Auf dem Rathaus erhielt ich einen Bezugsschein für eine Petroleumlampe. Aber keines der in Betracht kommenden Geschäfte hatte eine. Dagegen konnte ich einen Glühstrumpf für die aus meinen Schülerjahren stammende Spiritusglühlampe auftreiben, die 30 Jahre lang in einer Kiste verpackt alle Umzüge mitgemacht hat. Ich erinnere mich, daß sie ein sehr schönes, ruhiges weißes Licht gab. Spiritus hatte ich in den ersten Kriegsmonaten einige Flaschen eingekauft. Aber der Zylinder der Lampe erwies sich als zerbrochen. Auch da bekam ich schließlich einen, und als ich alles abends beieinander hatte, brannte das elektrische Licht wieder. Das war ein Nachmittagsinhalt. Beim Nachhausgehen hatte ich durch Vermittlung von Dr. Z. vom Hausmeister der Anatomie eine uralte verrostete Petroleumlampe ohne Glas bekommen (die trug ich in den nächsten Tagen wieder zurück).

Zur Behebung unserer Stromstörung hatte lediglich eine neue Sicherung in den Verteiler an der nächsten Straßenecke eingesetzt werden müssen.

Heute kam ich zum erstenmal durch die Holstenstraße (der Verkehr zum Bahnhof ging nur dem Ufer entlang), obwohl sie noch gesperrt war. Man stieg nur über Schutt. Vom Alten Markt bis zur Holstenbrücke ist alles ausgebrannt, es sind große Häuserlücken entstanden und zur Faulstraße und Kedenstraße hinüber erstrecken sich Schuttfelder. Im Düsternbrooker Park, nahe bei uns, sollen 63 große Trichter sein.


12.1.1944 Mein Zimmer mit 15 Grad kommt mir direkt warm vor. Allmählich wird man wieder leichtsinnig, meine beiden Koffer und der Rucksack mit den Stiefeln sind wieder oben in der Wohnung, die Mappe mit dem Allernötigsten, welche ich in der vorigen Woche stets bei mir getragen hatte, bleibt nun wieder zuhause. Es ist unmöglich, daß Käthe im Fall eines Alarmes in meiner Abwesenheit das alles in den Keller schaffen könnte, bevor sie in den Bunker geht, sie hätte mit Ursel und dem eigenen Gepäck genug zu tun. Drum nenne ich es leichtsinnig. Man braucht aber schließlich nach einer Woche wieder einmal den Straßenanzug, den Füllfederhalter, die Papiere und vieles sonst Selbstverständliche. Ich mußte den Fall berücksichtigen, daß ich während einer Abwesenheit von einem Alarm überrascht würde und die Wohnung nach einem schweren Schaden überhaupt nicht mehr betreten könnte, da müssen gewisse unentbehrliche Sachen in genauer Ordnung im Anzug verteilt oder in der Aktenmappe dabei sein. Das ist jetzt eigentlich genau so nötig, aber man tut es halt nicht mehr. Wenigstens leere ich jetzt nachts wieder meine Taschen aus.


13.1.1944 Beerdigung T. – Erfordert die Zeit von 10.30 bis 14 Uhr. Keine Fahrgelegenheit, bei dem Schmutz durch die ganze Stadt bis zum Südfriedhof. Besorgnis vor Alarm, wenn so weit von zuhause entfernt.


14.1.1944 Im Keller läuft schwach das Wasser. Das Herauftragen mehrerer Eimer Wasser hätte ich mir ersparen können, nach einigen Stunden fing es auch oben an, langsam zu tröpfeln. Nun haben wir wieder so viele Dinge aus dem Keller gebracht, daß wir vorhin bei einem wahrscheinlich irrtümlich entstandenen Sirenenton ganz erschrocken sind. Aber jetzt geht ja der Radio wieder, da ist das erste, daß man nachsieht, ob der Deutschlandsender geht. Auch solange Kalundborg geht, ist keine Gefahr. Auch die Laternen über der Förde drüben brennen noch. Die Einflüge sind also woanders.


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Letzte Aktualisierung am 28. Januar 2018

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